Aufbau eines präzisen Überwachungsnetzwerks
Die Strukturen, die uns umgeben, wirken statisch und unveränderlich. Doch Witterungsbedingungen, natürliche Alterungsprozesse, menschliche Aktivitäten, geologische Veränderungen und andere Faktoren wirken darauf ein und stellen eine Herausforderung für die Ingenieure dar, die sich die Erhaltung dieser Strukturen, von denen unsere Wirtschaft und unser Alltagsleben abhängt, zur Aufgabe gemacht haben.
Das Verhalten von Bauwerken kann nicht immer anhand der Konstruktion und durch Simulationen prognostiziert werden. Der unerwartete Einsturz einer Brücke hindert nicht nur daran, morgens zum Arbeitsplatz und abends zurück nach Hause zu gelangen. Wird die ordnungsgemäße Überwachung und Instandhaltung solcher Bauten vernachlässigt, kann das zur völligen Isolation eines Orts von der Außenwelt und sogar Todesfällen führen. Deshalb müssen Ingenieure in der Lage sein, Bauwerksbewegungen unter allen natürlichen physikalischen Bedingungen genau und frühzeitig zu erkennen.
Um sich ein Bild von der strukturellen Integrität und Veränderung von Bauten aller Art zu machen, verfügen Ingenieure heute über technische Hilfsmittel zur Bauwerksüberwachung (Structural Health Monitoring – SHM), die Aufschluss über den augenblicklichen Zustand, den Zerfall und die langfristige Entwicklung einer Struktur als Grundlage für rasche, fundierte Entscheidungen bieten.
Angeführt vom Hauptauftragnehmer UbiPOS UK arbeitet ein Konsortium bestehend aus Wissenschaftlern des Geospatial Institute der University of Nottingham und Partnern aus der Wirtschaft von Leica Geosystems, GVL, Amey, Transport Scotland und China Railway an der Entwicklung von GeoSHM (GNSS and Earth Observation for Structural Health Monitoring), einer integrierten Lösung zur Überwachung und Auswertung der Einsatzbedingungen unterschiedlicher Infrastrukturelemente in Echtzeit. Da sich die Europäische Weltraumorganisation (ESA) der Problematik bei der Wahrung der strukturellen Integrität und Betriebssicherheit von Großbrücken bewusst ist, unterstützt sie die Entwicklungstätigkeit im Rahmen ihres „Integrated Application Promotion“- Programms (IAP).
DAS GESAMTBILD ENTSCHEIDET
Es ist von zentraler Bedeutung, jedes Infrastrukturelement aus der Ferne und in Echtzeit überwachen zu können. Deshalb nutzt GeoSHM mit GNSS-Empfängern und Software von Leica Geosystems erfasste Echtzeitdaten zur Analyse der Betriebsbedingungen von Brücken mit dem vom Konsortium entwickelten GeoSHM Deformation Analyst.
Die GNSS-Überwachungssysteme von Leica Geosystems bieten durch die 3D-Anzeige von Verschiebung und Neigung der Brücke einen kompletten Überblick über die Brückensituation in Echtzeit. GeoSHM wandelt Daten in aussagekräftige Informationen für Endanwender um, die über eine webbasierte Schnittstelle bereitgestellt werden. Anhand dieser präzisen Deformationsangaben erhalten die Verantwortlichen ein Bild vom Verhalten der Brücke unter normaler Last.
Sie können das Verhalten von Strukturmodellen mit den aktuellen Umständen abgleichen, um ungewöhnliche Verformungen bei extremen Witterungsbedingungen und Bewegungen im Millimeterbereich frühzeitig zu erkennen. Werden festgelegte Grenzwerte bei Verformungen überschritten, übermittelt der GeoSHM Deformation Analyst Früh- bzw. Notfallwarnungen. So bietet GeoSHM eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung und unterstützt gezielte Instandhaltungstätigkeiten durch die Überprüfung von Brücken unmittelbar nach potenziell schädlichen Einwirkungen, was die rasche Erkennung von Strukturversagen erlaubt.
„Wir haben uns aufgrund der hohen Positionsgenauigkeit und Zuverlässigkeit für Produkte von Leica Geosystems entschieden. Die Leica GR10 Plug & Play-GNSS-Referenzstation, die GM30-Monitoring-Empfänger und die Leica GNSS Spider-Software sind stabil, benutzerfreundlich und liefern exzellente Messergebnisse“, erklärt Dr. Xiaolin Meng, der Leiter des GeoSHM Projekts am Geospatial Institute der University of Nottingham.
„Durch die Integration der GNSS-Technologie von Leica Geosystems konnten wir unsere Abläufe vereinfachen, Zeit sparen und das Projekt aus der Ferne steuern und überwachen.“
VERSUCHSOBJEKT
GeoSHM wurde an der Forth Road Bridge, einer mächtigen Hängebrücke bei Edinburgh in Schottland, erstmals installiert und getestet. Die Brücke wurde 1964 für den Verkehr freigegeben und war damals die längste Hängebrücke aus Stahl in Europa. Bei ihrer Planung in den 1950er Jahren war die in den späteren Jahren folgende Erhöhung des Verkehrsaufkommens auf dieser wichtigen Verbindung zwischen dem Südosten und dem Nordosten Schottlands für die Ingenieure nicht absehbar. Ursprünglich geplant für etwa 30.000 Fahrzeuge pro Tag, queren heute unter unter normalen Umständen die doppelte Anzahl die Brücke.
Wie viele andere Hängebrücken ist die Forth Road Bridge oft widrigen Bedingungen ausgesetzt: von unerwarteten Verformungen und ungewöhnlich hohem Verkehrsaufkommen über Temperaturschwankungen bis hin zu Starkwind und extremem Tidenhub. Brücken- und Infrastrukturverantwortliche haben daher das legitime Anliegen, das Brückenverhalten unter verschiedenen Voraussetzungen zu verstehen und ein Wartungsprogramm zu entwickeln, das eine rasche, gezielte und automatisierte Ermittlung des Brückenzustands für die kosteneffiziente Verwaltung und Instandhaltung erlaubt.
EIN VERLÄSSLICHES SENSORNETZWERK
Derzeit erfasst GeoSHM Daten der Forth Road Bridge mithilfe von vier permanenten Leica GNSS- Empfängern und zwei Anemometern zur Messung der Windgeschwindigkeit, doch ein weiterer Ausbau des Überwachungssystems durch das Konsortium ist bereits in Planung. Die Leica GNSS Spider-Software ist eine professionelle Lösung zum Betrieb und zur Steuerung der installierten GNSS-Basisstationen und -Netzwerke. Die GNSS-Empfänger sammeln und streamen Daten über Leica Spider mit Internetbearbeitung in Echtzeit. So sorgen sie für die notwendige Positionsgenauigkeit zur Auswertung des Brückenzustands mit dem GeoSHM Deformation Analyst.
Eine Leica GR10-Basisstation wurde am höchsten Punkt und drei Leica GM30-Monitoring-Empfänger entlang der Brücke angebracht, um Daten von GNSS-Satelliten zu erfassen und über ein Glasfasernetz an eine lokale Zentrale zu übermitteln. Gleichzeitig werden GNSS-Daten zur Auswertung über eine sichere Internetverbindung an das Datenverarbeitungszentrum der University of Nottingham geschickt, wo sie mit den Messwerten der Brückensensoren zusammengeführt werden, um millimetergenaue, hochaufgelöste Deformations- und Verschiebungsdaten zu generieren. Im Kontrollzentrum werden die nachbearbeiteten GNSS- Daten als Deformationsangaben mit InSAR – einem in der Fernerkundung genutzten Radarverfahren – kombiniert, um langfristige strukturelle Tendenzen und lokale Umwelteinflüsse zu messen.
EINE BEWÄHRTE LÖSUNG
Unter Einsatz der Überwachungstechnologien von Leica Geosystems in Verbindung mit anderen Sensoren strebt das GeoSHM Projekt die Entwicklung eines modernen Monitoringkonzepts zur strukturellen Deformationsüberwachung langer Brücken und anderer kritischer Infrastrukturobjekte anhand eines Modells an, das modernste Monitoringsysteme und unterschiedliche Akteure zusammenbringt. In der nächsten Phase des Projekts wird GeoSHM auf einer Reihe von Brücken in China installiert.
Das GeoSHM System hat gezeigt, dass ein solides Verständnis und eine regelmäßige Überwachung kritischer Objekte der Verkehrsinfrastruktur die Lebensdauer alternder Brücken verlängern und die Sicherheit wahren können. Die Leica Lösungen liefern entscheidende Informationen zur Reduktion von Instandhaltungskosten durch gezielte Inspektions- und Reparaturmaßnahmen, da potenzielle Strukturschäden frühzeitig erkannt werden können.